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KONTEXT


Angesichts der Schwierigkeiten, das Freihandelsabkommen CETA mit Kanada abzuschließen, wirft AfD-Bundesvorstandsmitglied Paul Hampel der EU vor, dass sie handlungsunfähig und verschwenderisch sei: „Gigantische(n) Summen“ versickern in der „gewaltigen Brüsseler Bürokratie“ oder in „dunklen Kanälen“.

Der Vorwurf steht in keinem direkten Zusammenhang mit dem eigentlichen handelspolitischen Thema der Pressemitteilung, dem Abschluss des Handelsabkommens CETA. Hampel nutzt eine schwierige Verhandlungssituation als Vorlage, um zu einer Generalkritik an der Mittelverwendung und der Bürokratie der EU auszuholen.

FAKTENCHECK


Verwaltungskosten: Der Anteil des EU-Haushalts, der für Personal, Verwaltung und Gebäudemanagement ausgegeben wird, ist relativ gering: Er beträgt seit Jahren etwa sechs Prozent.2 Im Jahr 2016 betrugen die Verwaltungskosten etwa 8,9 Mrd. Euro bei einem EU-Haushaltsvolumen in Höhe von 144 Mrd. Euro.3 Allein Deutschland gab für die Verwaltung im Jahr 2016 mit knapp 44 Mrd. Euro fast das Fünffache aus. Auch der Anteil der Verwaltungskosten am deutschen Gesamthaushalt von 317 Mrd. Euro ist mit ca. 14 Prozent im Vergleich zum EU-Äquivalent mehr als doppelt so hoch.4

Beschäftigte: In Kommission, Parlament und Ratssekretariat der EU arbeiten etwa 55.000 Personen und somit ähnlich viele wie allein für die Stadtverwaltung von Paris (50.000).5 Das ist eine eher geringe Anzahl, wenn man bedenkt, dass in der EU über 508 Mio. UnionsbürgerInnen leben, inklusive der ca. 2,2 Mio. EinwohnerInnen von Paris.6 Deutschland beschäftigte 2013 allein auf Bundesebene 180.000 BeamtInnen.7 Somit kommen hochgerechnet um die 460 BürgerInnen auf eine/n deutsche/n BundesbeamtIn,8 während es ca. 9.240 BürgerInnen für eine/n EU-BeamtIn sind.9

Besoldung: Die Besoldung von EU-BeamtInnen nimmt nur einen kleinen Anteil am Gesamtbudget (s. o.) ein. Das Gehalt ist dabei in etwa mit dem deutscher BeamtInnen vergleichbar. Wie auch für im Ausland eingesetzte BundesbeamtInnen kann ein Auslandszuschlag hinzukommen, wenn sie noch nie oder lange nicht mehr in Brüssel oder einem Einsatzland gelebt haben und auch nicht dessen StaatsbürgerIn sind. Die Gehaltsentwicklung in Kaufkraft gemessen ist im Gegensatz zu einigen Mitgliedstaaten aufgrund von sogenannten „Nullrunden“ sogar rückläufig (s. Anhang).10

Transparenz: Sowohl die Entstehung der EU-Haushalte als auch die spätere Verwendung der Gelder sind offen nachvollziehbar. Die Dokumente zu den Verhandlungen der EU-Haushalte sind online abrufbar11 und auch die Sitzungen des Haushaltsausschusses des Parlaments können live verfolgt werden.12 Dies gilt für alle Haushaltsverhandlungen zwischen Kommission, Parlament und dem Rat der EU, sei es bezüglich des mehrjährigen Finanzrahmens (MFR) oder des jeweiligen Jahreshaushalts. Bei den Verhandlungen um den MFR werden Obergrenzen dafür festgelegt, wieviel die EU für bestimmte Politikbereiche in einem Zeitraum von sieben Jahren ausgeben darf. Der aktuelle MFR läuft von 2014 bis 2020.13

Hauptverantwortung für die Mittelverwaltung bei den Mitgliedstaaten: Etwa 80 Prozent der Ausgaben der EU werden über die sog. geteilte Mittelverwaltung getätigt. Das heißt, dass die Mitgliedstaaten von der Kommission Mittel bereitgestellt bekommen, diese selbst verwalten und nach vorgegebenen Regeln den Förderprojekten zuführen. Als Finanzinstrumente dienen dabei die europäischen Struktur- und Investitionsfonds. In Deutschland sind die Länder für die Verteilung der Gelder zuständig. Das Verfahren wird sowohl vom Europäischen Rechnungshof als auch durch die jeweiligen nationalen Rechnungshöfe kontrolliert.

Fördermittel für Deutschland: Deutschland erhält im mehrjährigen Finanzrahmen 2014-2020 ca. 19,2 Mrd. Euro vom Europäischen Struktur- und Investitionsfonds der EU, sowie ca. 5 Mrd. Euro jährlich, die direkt in die Förderung der Landwirtschaft fließen. Aber auch Infrastrukturprojekte werden von der EU mitfinanziert, so zum Beispiel der Ausbau der A72 zwischen Chemnitz und Leipzig (76 Mio. Euro) oder der Bau der Hochgeschwindigkeitsbahnstrecke zwischen Erfurt und Halle/Leipzig (49,9 Mio. Euro). Dabei kann Deutschland selbst vorschlagen, wie diese Mittel verwendet werden und die Bundesländer führen die geförderten Projekte durch.14

Rechnungshof: Der Europäische Rechnungshof ist die externe, unabhängige Rechnungsprüfstelle der EU, vergleichbar mit dem deutschen Bundesrechnungshof. Er überprüft die Ausgaben und Einnahmen der EU und kontrolliert, wie diese verwendet bzw. erhoben wurden. Er versteht sich selbst als Vertreter der Interessen der europäischen SteuerzahlerInnen. Als unabhängiges EU-Organ kann er eigenständig entscheiden, was und wie er prüft. Neben Buchführungen wird auch stichprobenhaft vor Ort die konkrete Umsetzung von Förderprojekten überprüft. 2015 bewertete der Rechnungshof die Rechnungsführung in allen EU-Institutionen als zuverlässig.15 Darüber hinaus gab der deutsche Bundesrechnungshof, gemeinsam mit den Landesrechnungshöfen 2013 einen Sonderbericht heraus, der sich speziell mit dem Umgang von EU-Mitteln in Deutschland befasst. Auch hier gab es keine Beanstandungen.16

Betrugsbekämpfung: Gegen Betrug und Korruption mit EU-Geldern kämpft außerdem das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF). 2015 leitete das OLAF 219 neue Untersuchungen ein und schloss 304 Untersuchungen ab. Zwischen 2010 und 2015 hat das Amt Betrugsfälle auf Kosten der EU in Höhe von über 3 Mrd. Euro aufgedeckt.17 Diese Summe konnte sodann zurück in den Haushalt geführt werden. Im Verhältnis zum Gesamtvolumen von 975 Mrd. des MRF 2007-2013 ist diese Summe jedoch sehr gering.18 Anders als von Hampel dargestellt ist in diesen Fällen ferner die EU das Opfer von Betrug, und nicht etwa der Täter.

Europäische Staatsanwaltschaft: Nach Art. 86 AEUV soll zur Bekämpfung von Straftaten zum Nachteil der finanziellen Interessen der Union zusätzlich eine Europäische Staatsanwaltschaft gegründet werden. 2013 legte die Kommission einen Vorschlag dazu vor, seitdem sind Verhandlungen im Gange.19


Angesichts der Größe der EU und ihrer Bevölkerungsstärke scheinen sowohl die Verwaltungskosten als auch die Anzahl der Beschäftigten eher gering. Dies erklärt sich jedoch auch durch die unterschiedliche Verteilung von Aufgaben und Kompetenzen zwischen der EU und den Mitgliedstaaten (à Factsheet Zuständigkeiten). Jedenfalls ist die Bürokratie in der EU um einiges kleiner und kostengünstiger als beispielweise in Deutschland, Frankreich oder Großbritannien.

Völlig zusammenhangslos geht Hampel von einem konkreten Anlass europäischen Tagesgeschehens zu einer Generalkritik der EU über, die nicht haltbar ist. Auch der Vorwurf, EU-Gelder verschwänden nicht selten in „dunklen Kanälen“, entbehrt jedweder empirischen Grundlage. Das Budget mit Einnahmen und Ausgaben der EU ist für jede/n BürgerIn öffentlich einseh- und nachvollziehbar. Der Europäische Rechnungshof und das OLAF kontrollieren seine Verwendung und gehen möglichen Betrugsfällen auf den Grund.

Mit Vorwürfen wie jenen von Hampel soll die „Brüsseler Bürokratie“ als verschwenderischer Moloch, der Gelder verschleudert oder in die eigenen Taschen steckt, gezeichnet und eine ablehnende, anti-elitäre Stimmung gegen die EU geschürt werden. Dabei greift Hampel gezielt düstere, negative Sprachbilder („Geld versickert“, „dunkle Kanäle“) und Vorurteile auf, die Assoziationen mit kriminellen Machenschaften hervorrufen, und in dem gänzlich unbegründeten Vorwurf der institutionalisierten Korruption gipfeln.

 

Abb. 1: „Wie viele Beamte arbeiten in der EU?“ (eigene Darstellung)

 

Abb. 2: „Die Kosten der EU-Verwaltung“ (eigene Darstellung)

Abb. 3: „Beamter – ein Traumjob?“ (eigene Darstellung)

Wo finde ich diese Informationen?

1 Paul Hampel: EU nähert sich ihrem Verfallsdatum, 27.10.2016, https://www.alternativefuer.de/hampel-eu-naehert-sich-ihrem-verfallsdatum/ (letzter Zugriff: 26.1.2017).

 

2 Europäische Union: Über die EU. EU-Verwaltung – Bedienstete, Sprache und Standorte, 2016, https://europa.eu/european-union/about-eu/figures/administration_de (letzter Zugriff: 9.1.2017).

 

3 Europäische Kommission: EU jährlicher Haushaltslebenszyklus: Zahlen, 2015, http://ec.europa.eu/budget/annual/index_de.cfm?year=2016 (letzter Zugriff: 5.1.2017).

 

4 Deutscher Bundestag: Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2016, 2015, Drucksache 18/5500, Berlin, S. 29.

 

5 Europäische Union: Über die EU. EU-Verwaltung – Bedienstete, Sprache und Standorte, 2016, https://europa.eu/european-union/about-eu/figures/administration_de (letzter Zugriff: 12.1.2017).

 

6 Europäische Union: Über die EU. EU-Verwaltung – Bedienstete, Sprache und Standorte, 2016, https://europa.eu/european-union/about-eu/figures/administration_de (letzter Zugriff: 9.1.2017).

 

7 Statista: Anzahl der Beamten und Richter in Deutschland zum 30. Juni 2015 nach Beschäftigungsbereichen, 2015, https://de.statista.com/statistik/daten/studie/37096/umfrage/beamte-und-richter-in-deutschland/ (letzter Zugriff: 9.1.2017).

 

8 Zeit Online: So viele Menschen wie nie leben in Deutschland, 27.1.2017,

http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2017-01/einwohnerzahl-steigt-deutschland-statistisches-bundesamt-rekord-einwanderung (letzter Zugriff: 9.2.2017).

 

9 Eurostat: EU-Bevölkerung zum 1. Januar 2015 auf 508,2 Millionen gestiegen, 10.7.2015, http://ec.europa.eu/eurostat/documents/2995521/6903514/3-10072015-AP-DE.pdf/1dc02177-b1d7-47ed-8928-66fec35e2e36 (letzter Zugriff: 9.2.2017).

 

10 Europäische Kommission: EU-Verwaltung – Bedienstete, Sprachen und Standorte, 2017, http://europa.eu/european-union/about-eu/figures/administration_de (letzter Zugriff: 5.1.2017).

 

11 Europäische Kommission: Dokumente, 2016, http://ec.europa.eu/budget/biblio/documents/index_de.cfm (letzter Zugriff: 21.2.2017).

 

12 Europäisches Parlament: EPTV, 2017, http://www.europarl.europa.eu/ep-live/de/schedule/ (letzter Zugriff: 21.2.2017).

 

13 Europäische Kommission: The Multiannual Financial Framework explained, 2014, http://ec.europa.eu/budget/mff/introduction/index_en.cfm (letzter Zugriff: 9.1.2017).

 

14 Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung: EU-Strukturpolitik in Deutschland, 2014, http://www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/Raumentwicklung/StrukturAusgleichspolitik/Projekte/EUStrukturpolitik_D/EUStrukturpolitik_D.html?nn=413354 (letzter Zugriff: 16.2.2017), Europäische Kommission – Vertretung in Deutschland: EU-Förderung in Deutschland, 13.4.2017, https://ec.europa.eu/germany/eu-funding/grants_de (letzter Zugriff: 13.4.2017).

 

15 Europäischer Rechnungshof: Jahresbericht 2015: Die EU muss das Vertrauen ihrer Bürger zurückgewinnen, 2016, http://www.eca.europa.eu/de/Pages/AR2015.aspx (letzter Zugriff: 5.1.2017).

 

16 Bundesrechnungshof: 2013 Sonderbericht „Zweiter EU-Report deutscher Rechnungshöfe“, 2013, https://www.bundesrechnungshof.de/de/veroeffentlichungen/sonderberichte/zweiter-eu-report-deutscher-rechnungshoefe (letzter Zugriff: 9.1.2017).

 

17 Europäisches Amt für Betrugsbekämpfung: Europäische Staatsanwaltschaft, o. D., https://ec.europa.eu/anti-fraud/policy/european_public_prosecutor_de (letzter Zugriff: 13.2.2017).

 

18 Europäische Kommission: Haushalt – Finanzrahmen 2007-2013, 2015, http://ec.europa.eu/budget/figures/fin_fwk0713/fwk0713_de.cfm#cf07_13 (letzter Zugriff: 13.2.2017).

 

 

19 Europäisches Amt für Betrugsbekämpfung: OLAF in Zahlen, 2016,

http://ec.europa.eu/anti-fraud/home_de (letzter Zugriff: 5.1.2017).