Projektbeschreibung

Hintergrund und Ziele

In Europa aber auch in Deutschland nimmt das europaskeptische Potenzial zu und der bisher vorherrschende pro-europäische Grundkonsens fängt an zu bröckeln. Das hat sich nicht erst durch die enormen Zugewinne europakritischer Parteien bei der Europawahl 2014 gezeigt. Auch die Entwicklungen im Zuge der Griechenland- und der Migrationskrise haben Ressentiments gegenüber europäischen Entscheidungsstrukturen und Mitgliedsstaaten geschürt. Gerade populistischer Europaskeptizismus, der sich mehr auf Emotionen als auf tatsächliche Fakten und Wahrheiten stützt, hat derzeit Hochkonjunktur. Vor diesem Hintergrund und ausgehend von der Annahme, dass Europaskepsis nicht per se eine destruktive Wirkung entfalten muss, hat das Institut für Europäische Politik (IEP) in Kooperation mit dem Progressiven Zentrum (DPZ) das Projekt „TruLies Europe“ konzipiert, mit dem in aufklärendem Sinne zur Versachlichung der europapolitischen Debatte in Deutschland beigetragen werden soll.

Mit „TruLies Europe“ wurden zwei übergreifende Ziele – ein wissenschaftlich-analytisches (Ziel 1) und ein gesellschaftlich-praktisches (Ziel 2) – verfolgt.

Ziel 1 „wissenschaftliche Analyse“: systematische und analytisch fundierte Dekonstruktion von Falschbehauptungen, Feindbildern und Vorurteilen

Eine populistische europaskeptische Rhetorik baut Vorurteile und Feindbilder gegenüber der europäischen Idee und insbesondere der EU als Institution auf. Bei europaskeptischen Vorurteilen handelt es sich um stabile negative Einstellungen, die meist nicht auf eigenen Erfahrungen beruhen, sondern von anderen übernommen werden und häufig wenig mit der tatsächlichen Realität korrespondieren. Hierzu zählt beispielsweise die Brüsseler „Regulierungswut“, die deutsche „Zahlmeisterschaft“ oder die notorisch arbeitsscheuen Südstaaten die als gängiges Vorurteil instrumentalisiert werden. Feindbilder sind soziale Deutungsmunster, die auf einer Schwarz-Weiß-Sicht der Welt basieren und einfache Wahrheiten suggerieren wobei das negativ ‚Fremde‘ beziehungsweise ‚andere‘ (zum Beispiel der Euro) dem positiv ‚Bekannten‘ beziehungsweise ‚eigenen‘ (zum Beispiel die D-Mark) gegenübergestellt wird. Feindbilder werden von Politikern aufgebaut, die eine populistische Strategie der Emotionalisierung der Politik durch Ausbeutung von Ängsten und Befürchtungen verfolgen.

Vor diesem Hintergrund sollte die Inhaltsanalyse von „TruLies Europe“ entlang aktuell relevanter Themengebiete wie z.B. Euro, Wirtschaft- und Soziales, Asyl- und Migrationspolitik, TTIP und Außenpolitik zu einem differenzierteren und besseren Verständnis der europäischen Integration beitragen. Hierzu wurden umfassend europaskeptische Behauptungen von Politikern, Parteien, Medienvertretern und sonstigen Meinungsführern gesammelt und im Lichte der folgenden Fragen analysiert: Was sind die Inhalte der europaskeptischen und populistischen Aussagen und Behauptungen? Was davon sind „reale Wahrheiten“ und was davon sind „einfache Wahrheiten“, die angesichts einer vielfältig komplexen und hoch interdependenten Realität irreführend sind? Wie ändern sich diese Argumente im zeitlichen Verlauf?

Ziel 2 “Versachlichung der Debatte“: Transfer der Analyseergebnisse in die Gesellschaft durch dialogbasierte Kommunikation mit Politik, Zivilgesellschaft und der breiteren Öffentlichkeit

Um die erarbeiteten Ergebnisse in die Breite zu tragen und eine tatsächliche Versachlichung der öffentlichen Debatte zu erreichen, war eine zielgruppengerechte Kommunikation notwendig. Das Projekt hatte zum Ziel, die Analyseergebnisse aktiv zu kommunizieren und die europäische Idee hervorzuheben. Hierbei setzen wir auch auf den Erfahrungsaustausch durch dialogische Formate: Die erarbeiteten Ergebnisse sollten dabei im Gespräch mit Multiplikatoren aus Politik, Zivilgesellschaft und Wissenschaft weiterentwickelt werden, denn die europaskeptische Debatte bleibt nicht stehen. „Praktiker“ konnten durch ihre tägliche Begegnung mit dem Phänomen des Europaskeptizismus wichtige und neue Erfahrungen beisteuern, die einer rein wissenschaftlichen Betrachtung verschlossen bleiben.

Wir diskutierten die Analyseergebnisse gezielt mit Multiplikatoren aus Zivilgesellschaft und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) sowie mit Referenten und Akteuren der Erwachsenenbildung. Die Projektergebnisse wurden dafür zielgruppengerecht on- und offline aufbereitet (z.B. in Form von Multiplikatorenworkshops, Mittagsgesprächen, „Factsheets“ und Blogposts), um eine möglichst hohe Verbreitung innerhalb der gesellschaftlichen Sektoren zu erreichen.

Die öffentliche und ehrliche Debatte zwischen Bürgern und Politik ist wichtig, um die Lücke zwischen öffentlicher und Eliten-Meinung zu Europa zu schließen. „TruLies Europe“ sollte einen Beitrag zu diesem dringend notwendigen Lückenschluss leisten.

The Truth about Lies on Europe wurde, gefördert von der Stiftung Mercator, von September 2015 bis Mai 2017 durchgeführt.